Samstag, 19. Dezember 2009

Ein Numb3rs Weihnachtsfest

Titel: Eine Eppes-Weihnacht
Autor: callisto24
Fandom: Numb3rs
Rating: PG
Genre: Comedy, Crack
Warnungen: Geschmacklos und anstößig
Disclaimer: Nichts davon gehört mir und ich verdiene hiermit kein Geld.

* * *


„Du bist so still“, sagte Alan Eppes zu seinem Sohn, der gedankenverloren in seiner Tasse Kaffee rührte.

Mathematikprofessor Charlie Eppes nickte und rollte mit den Augen. „Das liegt daran, dass die Autorin, die diese Geschichte verfasst, in der Schule nicht richtig aufgepasst hat.“ Er seufzte auf und legte den Löffel ab. „Deshalb versteht sie auch nie, wovon ich eigentlich spreche, wenn ich damit beginne, meine abstrakten Theorien und komplizierten Berechnungen zu erläutern.“

Alan runzelte die Stirn. „Aber weshalb sollte sie dann die Serie ansehen, geschweige denn darüber schreiben?“
Charlie zuckte mit den Schultern. „Sobald ich anfange zu reden, schaltet sie ihr Gehirn ab und beginnt damit, meine dunklen Locken zu bewundern. Oder ihre Gedanken wandern zu Dons muskulösem Körper, beziehungsweise der Art, wie er seine Jeans trägt – eng und knackig.“

Don sah auf. „Was ist mit mir?“
Charlie schüttelte den Kopf. „Das willst du nicht wissen, glaube mir.“

Don wandte sich wieder seiner Akte zu. „Also, wie weit sind wir nun?“

Sein Vater kratzte sich am Kopf.
„Nicht sehr weit. Bis jetzt haben wir vier Leute, die Hanukkah feiern.
Drei, die beim besten Willen kein Fest in ihrer Religion finden konnten, das auch nur annähernd in die Nähe des Dezembers fällt,
fünf, die unsere Idee ablehnen
und drei, die grundsätzlich bereit wären, ein nicht-konfessionelles Winterfest zu begehen.
Außerdem fünf Christen, von denen vier behaupten, dass ihnen Weihnachten herzlich egal ist, sie aber unterm Strich lieber in einem lebensgefährlichen Einsatz steckten, als mit ihrer Familie den Abend zu verbringen.“

Don überlegte kurz, schlug dann Kommandoton an. „In diesem Fall würde ich mich doch gegen die Idee einer Weihnachtsfolge entscheiden.“

Alan schob die Unterlippe vor. „Die Leute lieben Weihnachtsfolgen“, bemerkte er. „Und auch wenn ich persönlich nicht verstehe warum - Hanukkah macht erheblich mehr Spaß und bietet wenigstens eine aufregende Hintergrundgeschichte - so bin ich doch in einem Alter, in dem es sich auszahlt auf die Zuschauerwünsche einzugehen. Ganz im Ernst – die erfolgreichen Serien wachsen nicht auf Bäumen, das muss ich euch beiden doch wohl nicht sagen.“

Charlie nickte. „Statistisch gesehen…“
Don hob warnend den Zeigefinger. „Nicht jetzt, Charlie. Wir haben kein Geld übrig für die aufwendigen Computeranimationen, die dein Mathematik-Geschwafel untermalen.“ Er räusperte sich. „Und außerdem bin ich aus der Übung was den konzentrierten, zugleich gelangweilten und unterschwellig genervten Gesichtsausdruck angeht, mit dem ich darauf reagieren muss.“

„Das ist aber jetzt unfair“, meldete Amita sich zu Wort. „Als Inderin und praktizierende Hindu liegt mir der Weihnachtsgedanke zwar fern, aber diese Animationen, zumal wenn sie um mich kreisen, sind doch jedesmal wieder eine Augenweide.“
Charlie legte seine Hand auf ihre und blickte ihr tief in die Augen. „Da stimme ich dir vollkommen zu, mein Liebling.“

„Und was ist mit mir?“ warf Larry Fleinhardt ein. „Hatte ich nicht vorgeschlagen das Ganze von einer astronomischen Warte aus zu betrachten? Rotierende Planeten, Sternenhimmel und vielleicht hier und da ein vorbeizischender Komet, während ich das Prinzip von Licht im Dunkel erläutere, passen in fast jede Religion oder Weltanschauung und bieten außerdem noch was fürs Auge. Ich könnte eine Anspielung auf den Stern von Betlehem fallen lassen, womit wir das Christentum gleich erledigt hätten.“

„Nicht schlecht.“ Don hob die Augenbrauen. „Auch das Mythologische ließe sich so elegant abhaken.“
Charlie nickte eifrig. „Wir enden mit einem geselligen Beisammensein, wahlweise inklusive des Entzündens der Menora oder des Aufbruchs in die Synagoge. David und Colby küssen sich unter dem Mistelzweig, Nikki lädt Liz in die Moschee ein und irgendwo brennt ein Feuer zur Wintersonnenwende.“

Alan rieb sich die Hände. „Das hört sich doch gut an. So dürften wir ausreichend Vielfalt einbringen und niemanden vor den Kopf stoßen.“

„Mit Ausnahme der Autorin“, gab Larry zu bedenken.
Charlie sah ihn erstaunt an. „Wieso denn das?“
Larry grinste. „Na, die hat von den empfindlichen religiösen Gefühlen der Leser noch weniger Ahnung als von Mathematik.“
„Gibt’s nicht“, staunte Charlie.

„Oh doch“, seufzte Amita. „Ich konnte ihr das Einmaleins beibringen, aber das Wirken Shivas hielt sie für ein ostafrikanisches Märchen.“

„Das kann schwierig werden“, stellte Alan fest. „Nebenbei benötigen wir ja auch noch den Weihnachts-Klassiker: einen wahnsinnigen Serienkiller, der es auf Mitarbeiter des FBIs abgesehen hat.“
Er kratzte sich am Kinn.
„Da existiert ein weiteres Problem. Wer erklärt ihr diesmal die Mechanik von Schusswaffen, oder anatomische Grundsätze, wenn es um das Spritzen von Blut oder das Ausweiden der Organe geht? Das gibt doch wieder ein Desaster, wenn wir versuchen, die Sache der Gerichtsmedizin zu präsentieren.“

Don klappte seine Akte zusammen und stand auf. „Ich übernehme das“, erklärte er resolut.
Charlie hob eine Augenbraue. „Sei vorsichtig“, warnte er. „Wenn es in ihrem Büro nach Glühwein liegt und irgendwo ein paar Dessous herumliegen, dann nimm lieber Robin zur Selbstverteidigung mit.“
„Das hilft nichts“, seufzte Don. „Beim letzten Mal schlug sie einen flotten Dreier vor.“
Alans Mund klappte auf. „Ihr habt doch nicht…?“
Don grinste. „Wo denkst Du hin. Ich hab nur zugesehen.“



Ende

Weihnachten in San Francisco

Weihnachten in San Francisco
Titel: Weihnachten in San Francisco
Autor: callisto24
Genre: Crossover, comedy
Fandoms: 24, House, Numb3rs, CSI Miami, Monk, Santa Claus ...
Rating: PG-13
Inhalt: Weihnachtsquatsch
Disclaimer: Nichts davon gehört mir und ich verdiene hiermit auch kein Geld.


* * *

„Ich fühl mich wie zu Gast in einem Agatha Christie Roman“, schimpfte Geheimagent außer Dienst Jack Bauer. „Kaum nehme ich mir ein paar Tage frei, um Weihnachten auszuspannen und schon geschieht ein Verbrechen. Und wer muss es wieder aufklären?“

Sein flammender Blick wanderte über die farblich perfekt abgestimmte und nach Feng Shui Maßstäben berechnete Einrichtung des Wellness-5-Sterne-Hotels und er kratzte sich, vollkommen unpassend, an seinem Dreitagebart.

Captain Stottlemaier, amtierender Chef der Polizei San Francisco blickte vom Tatort auf. Sein Gesicht erhellte sich. „Ach, Mr. Bauer. Das ist gut. Wir können jede Hilfe gebrauchen. Vielleicht, wenn Sie Kontakt zum Präsidenten herstellen?“
„Wieso?“, schnaubte Bauer ungehalten. „Handelt es sich um eine internationale Verschwörung?“
Stottlemaier spielte gedankenverloren mit seinem Schnurrbart, bevor er antwortete.

„Es sieht ganz so aus. Die Täter stehen eindeutig in Kontakt. Demnach muss es sich wohl um ein Netzwerk handeln. Die vermummten Täter schlagen weltweit beinahe zeitgleich zu. Spuren ihres Eindringens finden sich sozusagen in jeder uns bekannten Zivilisation.“
„Verstehe.“

Ein unauffällig wirkender Herr mit schiefgelegtem Kopf in mausgrauem Anzug, der bislang die Wände abgeschritten und unverständliche Worte gemurmelt hatte, trat zu Jack.
Mit leicht zitterndem Finger wies er auf die unmoderne, jedoch überaus praktische Multi-Funktions-Tasche, ohne die der Agent hilflos war und niemals seine vier Wände verlassen würde.
„Ihr Gurt hängt schief.“

Jacks Augenbrauen zogen sich zusammen. Seine Hand fuhr zum Gürtel, doch stieß tatsächlich an die leicht schief hängende Tasche. Doch bevor er mit seiner vernichtenden Antwort heraus platzen konnte, fiel ihm Stottlemaier ins Wort.
„Darf ich Ihnen Adrian Monk vorstellen? Er ist unverzichtbar bei Ermittlungen wie dieser. Sein photographisches Gedächtnis legendär.“

Monk sah betreten nach unten. „Es ist ein Segen und ein Fluch.“
Jack zog eine Augenbraue hoch. „Ach wirklich?“
Doch als Monk sich wieder zu ihm lehnte und seiner Tasche verdächtig nahe kam, beinahe begann an derselben herum zu fummeln, platzte ihm der Kragen.
„Fassen Sie mich nicht an“, bellte Jack empört.
Mister Monk wich erschrocken zurück und hob abwehrend beide Hände.

„Was ist hier los?“
Die Welt verstummte für einen Augenblick. Lediglich wer genau acht gab, konnte in der Ferne leise Engelsgesänge vernehmen.
Eine Lichtgestalt tauchte in der Mitte des gebogenen Eingangstores auf. Die eben noch düstere Atmosphäre machte strahlendem Sonnenlicht Platz und der Himmel leuchtete in einem grellen Königsblau.
Es war Horatio Caine, der sich unter das Volk begab und als erstes seine Sonnenbrille abnahm. Ein lässiges Kopfnicken rief das Team geschulter Spurensicherer auf den Plan.

„Wo ist das Opfer?“ Blitzend blaue Augen huschten über die Anwesenden, blieben für einen Moment an Stottlemaiers aufrechter Gestalt hängen, eindeutig die Gegenwart einer ebenbürtigen Respektsperson anerkennend.
„Kein Opfer“, antwortete dieser. „Aber eine Menge Spuren.“ Er begann aufzuzählen: „Engelshaar, Glitter, Sternenstaub, Lebkuchenbrösel, Glühweinflecken auf dem Teppich…“

Horatio winkte Eric und Calleigh, seinen perfekten Assistenten, die umgehend begannen, die Wände mit farbigen Sprays und feinen Pinseln zu bemalen, bunte Lampen an und aus zu knipsen, bevor sie mit Wattestäbchen die Ecken reinigten.
„Also mich brauchen Sie dann wohl doch nicht“, bemerkte Jack beim Anblick der Reinigungsvorgänge. „Schließlich hab ich Ferien.“

Ein Pfiff ertönte. „Nicht so schnell, mein Freund.“ Dr. House humpelte aus einem Seiteneingang, gefolgt von seinen neuen Assistenzärzten, frisch befördert aus der Serie Scrubs, womit sich auch seine zeitweilig miserable Laune erklären ließ.
Dr. House lehnte sich auf seinen Spazierstock und wedelte mit der Hand. „Noch ist hier jeder verdächtig, wenn ich das richtig sehe. Und Mr. Bauer ist nun mal kein unbeschriebenes Blatt, wenn es darum geht, Vorschriften und Regeln zu übertreten.“
„Ich bezweifle, dass du ans Glashaus klopfen solltest, Gregory“, bemerkte Horatio skeptisch.

„Ha!“ House lachte auf. „Du willst doch nicht etwas behaupten, dass du die Ermittlungen leitest, Caine.“
Horatio setzte seine Sonnenbrille wieder auf. „Ich denke meine Ermittlungserfolge sprechen für sich.“
„Es ist nichts gestohlen worden“, murmelte Adrian Monk leise.
„Nichts gestohlen? Kein Opfer?“ Horatio winkte seinen Mannen. „Ich sehe schon, dann ist dieser Fall unter unserem Niveau.“

„Unter meinem auch“, bemerkte Monk. „Mord ist eigentlich mein Metier.“
„Ruhe“, befahl Stottlemaier. „Wir befinden uns in einer Zwangslage. Vertrauen Sie mir, niemand möchte hier sein. Wir sind hier nur hineingeraten, weil uns die Flucht vor den jahreszeitbedingten Feierlichkeiten offenbar aus den verschiedensten Ecken Amerikas zu dieser Ferienanlage geführt hat. Ob dies etwas zu bedeuten hat? Wir werden sehen.“
House kratzte sich an der Schläfe. „Aber wo liegt denn jetzt das Verbrechen?“

„Das kann ich Ihnen sagen.“ Der Hotelmanager, ein gewichtiger Mann in einem zu engen Seidenanzug mischte sich ein. Er wischte sich mit einem bestickten Stofftaschentuch die Stirn ab, bevor er zu sprechen begann.
„Es ist einfach nicht in Ordnung, dass jeder hergelaufene Tramper in mein schickes Etablissement einbricht und seinen Müll hier verstreut.
„Was für einen Müll denn?“ Jack sah ihn fragend an.
„Na hier, diesen billigen Modeschmuck.“ Der Hotelmanager rümpfte die Nase.
„Tannenzweige! Das trägt man heutzutage nicht mehr. Kerzen, Nüsse, Mandarinen, Lebkuchen? Ich frage mich ernsthaft, was das soll. Totale Geschmacksverirrung. Passt in keine California Diät und besitzt so überhaupt keinen Stil.“
Jack knirschte mit den Zähnen. „Das hört sich allerdings nach einem Verbrechen an, mein Herr. Wissen Sie eigentlich womit ich mich sonst beschäftige? Haben Sie eine Ahnung, was ich alles auf mich nehme, damit Sie Design und Diät zum Sinn und Zweck ihres wertlosen Lebens erklären können?“

„Wie bitte?“ Der Hotelmanager sah ihn entgeistert an. „Ich muss doch sehr bitten. Was erlauben Sie sich?“
House schob sich grinsend näher und klopfte dem geplagten Hotelvorstand beruhigend auf die Schulter. „Nehmen Sie es nicht so schwer. Der Patient leidet definitiv an Selbstüberschätzung, Größenwahn und akuter Gewaltbereitschaft.“
„Sie werden gleich sehen, wie gewaltbereit ich bin.“ Jack hob mit rotem Gesicht die Faust.

„Was zu beweisen war.“ House wich glucksend zurück.
„Was bitte hat Jack Bauers Gewaltbereitschaft mit einem Einbrecher zu tun, der offensichtlich Tendenzen zum Innenarchitekten aufweist?“ Cuddy verschränkte die Arme vor der Brust.
„Pst.“ House legte den Zeigefinger auf die Lippen. „Wir wollten doch nicht, dass unsere kleine Betriebsliaison an die Öffentlichkeit gerät?“
„Zu spät“, murmelte Monk und pustete ein langes, dunkles Haar von der Jacke des Arztes. „Sie sollten außerdem die Lippenstiftspuren im Nackenbereich entfernen.“ Er wand sich angeekelt. „Nathalie! Tuch… schnell!“
„Zurück zum Thema“, brüllte Stottlemaier. „Was sagt die Forensik… äh, Spurensicherung… was auch immer?“
Calleigh warf ihr güldenes Haar zurück, während sie zahllose blitzende Geräte wieder in ihre Tasche beförderte. „Kein Blut, kein gewaltsames Eindringen, keine Zerstörung von Eigentum“, stellte sie fest. „Eric hat DNA – Proben genommen. Eric?“
Eric räusperte sich. „Der Täter ist eindeutig männlich. Das Alter lässt sich schwer bestimmen, aber gewisse Anzeichen lassen darauf schließen, dass er nicht mehr der Jüngste ist.“
„Was für Anzeichen?“ Eric zuckte mit den Schultern.
„Nur so ein Gefühl.“

„Das genügt mir, Eric.“ Horatio nahm seine Sonnenbrille wieder ab. Er überlegte einen Moment, ließ sie dann fallen und trat kräftig darauf.
„He!“ Der Hotelmanager empörte sich erneut. „Das ist Umwelt… äh… Hotelverschmutzung. Ich kann mir keine Überstunden für den Putzdienst leisten?“
Jacks Augen leuchteten auf. „Darf ich auch mal, Kumpel?“
„Nur zu.“ Horatio machte den Weg frei und Jack sprang mit beiden Beinen auf die Brille. „Die nervt mich schon viel zu lange.“
Der Hotelmanager lief grün an. „Das ist nicht die feine Art. Bestimmt nicht das Benehmen, dass ich in einem First Class Hotel voraussetze. Mr. Bauer, ich fürchte, ich muss Sie entlassen, bzw. des Hauses verweisen. Quartieren Sie sich woanders ein.“
„Ich habe nichts kaputt gemacht“, meldete sich Monk zu Wort. „Aber ich weiß jetzt, von wo der Eindringling… äh… eindrang.“
„Ach ja?“ Calleigh fuhr herum, stieß Nathalie beiseite und lächelte Monk süß an. „Ich liebe intelligente Männer.“
„Ähm.“ Monk lockert seine Krawatte. „Also, es lief so ab. Der Täter, ein ziemlich breit gebauter, älterer Herr in rotem Samt, rutschte den Kamin herab, genau hier.“ Er wies auf einen glänzend roten Fussel, der sich in der schmiedeeisernen Verzierung verfangen hatte. „Und dies hier sind eindeutig Haare aus einem weißen Bart, getränkt mit Milch, behaftet mit Krümeln süßer Plätzchen.“

Monk schauderte. „Es sollte Bartträgern verboten werden, in der Öffentlichkeit Nahrung zu sich zu nehmen.“
„Schon gut“, brummte Stottlemaier. „Wir haben also ein Profil, zumindest ein äußerliches. Fehlt noch die Motivation für die Untat.“
Jack Bauer schob ein Magazin in seine Waffe. „Unruhestifter brauchen kein Motiv. Es geht ihnen darum, die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen. Ihr Ziel ist die Anarchie. Barttragende Samtanzüge passen exakt zu diesem Gesindel.“
„Es waren allerdings mehrere“, brummte Stottlemaier. „Zeugen berichten von kleinwüchsigen Gestalten mit tief in die Stirn gezogenen, grünen Zipfelmützen.“
„Was für Zeugen?“, erkundigte sich Horatio und griff unwillkürlich nach der nicht mehr vorhandenen Sonnenbrille.
„Ein Brot und ein Zauberlehrling“, beeilte Eric sich zu versichern. „Die Kollegen von Numb3rs haben sie gerade vernommen. Professor Eppes hatte in seiner Jugend einen Aushilfsjob am Nordpol, besitzt Kontakte aus erster Hand.“
„Aha“, donnerte Jack. „Die Spur verdichtet sich.“

„Ganz genau.“ Charlie Eppes, einen extrem verlegenen Gesichtsausdruck und eine bekritzelte Schiefertafel vor sich her tragend, betrat den Raum. „Ich wollte meine pubertären Ausfälle eigentlich geheim halten, aber wenn es um die Sache geht…“
Er schluckte und winkte Bernd das Brot und Harry Potter zu sich. „Diese beiden werden Licht in die Angelegenheit bringen.“
Harry nickte und lehnte sich auf seinen Besen. „Rudolf das Rentier führte den Fluchtwagen. Ich konnte ihn sofort identifizieren. Seine Nase leuchtete.“
„Ich hasse Weihnachten“, warf Bernd ein.
„Wie bitte?“, erkundigte sich Stottlemaier.
Bernd stöhnte. „Hallo?
Santa?
Der Nikolaus? Der Typ mit den Geschenken, der durch den Kamin rutscht?“

Charlie Eppes drängelte sich eifrig vor. „Genau das haben meine Berechnungen aufgrund der 12-heiligen Nächte Theorie ergeben. Addiert man noch die Wartezeit von 24?“
„Was? Schon wieder nur 24 Stunden? Ich bestehe auf einem richtigen Urlaub“, schimpfte Jack.
House schüttelte den Kopf. „Es geht nicht immer nur um dich, Jacky. Du musst etwas gegen deinen Narzissmus tun. Vielleicht kennt Adrian einen guten Therapeuten.“
„Ein Jack Bauer braucht keine Therapie“, schmollte Jack. „Wäre ja noch schöner. Ich warte bis Sylvester und dann jage ich was in die Luft. Damit geht es mir gleich besser.“
„Ja, das hilft mir auch alljährlich“, nickte Horatio.
„Also abgemacht“, rieb Stottlemaier sich die Hände. „Wir treffen uns in einer Woche zum Showdown. Ich denke, es sollte etwas Großes sein, die CTU, FBI Zentrale, ein Filmstudio… etwas das uns seelisch so richtig befreit. “

„Aber nicht hier“, warf der Hotelmanager ein und legte die Stirn in Falten. „Andererseits - man könnte natürlich eine Doku-Soap darüber drehen: Stressbewältigung a la Carte mit explosivem Finale. 7 Tage, 7 Helden und ein Feuerwerk.“
„Bist du dabei, Adrian?“ Jack drehte sich zu ihm um. „Wir brauchen jemanden, der nachher aufräumt.“
„Aufräumen?“ Monk sah Natalie fragend an. „Aber was ist jetzt mit dem Fall?“
„Vergiss den Fall“, sagte seine Assistentin strahlend. „Ich glaube, eine kleine Explosion könnte auch den unterdrückten Ärger über meine schlechte Bezahlung freisetzen.“
„Das ist die rechte Weihnachtsstimmung.“ House rieb sich die Hände. „Lass dich küssen, Cuddy. Jetzt geht’s los.“

* * *

Unvermeidlich

Titel: Unvermeidlich
Autor: callisto24
Fandom: 24
Rating: PG
Genre: Humor
Inhalt: Sondereinsatz der CTU
Disclaimer: Nichts davon gehört mir und ich verdiene hiermit auch kein Geld.

* * *


"Verdammt, Chloe... wo bleiben die Koordinaten?"

Jacks heisere Stimme drang blechern aus den Lautsprechern, bewirkte, dass die rosige Gesichtsfarbe der Angesprochenen sich um eine Nuance vertiefte.

"Was willst du, Jack? Ich kann nicht hexen", schnappte sie ärgerlich zurück.

"Witterung und Entfernung beeinträchtigen die Übertragung, wie du sehr wohl weißt, also reiß dich zusammen!"

"Du hast gut reden", zischte Jack. "Die Lage ist ernst, wir dürfen uns keine Fehler erlauben. Die Gefahr, dass die Mistkerle wieder verschwinden und für ein Jahr abtauchen, ist einfach zu groß. Es geht hier schließlich um..."

"Ich weiß." Chloe schnitt ihm das Wort ab, und verdrehte die Augen gen Himmel.

"Jack, wo bist du jetzt?"

Bills stählerne Augen folgten der auf dem Monitor angezeigten Bahn des Satelliten, welcher unmittelbar vor der Vermittlung der einschlägigen Bilder stand.

"Verlassene Lagerhalle, Ecke Scrooge Boulevard. Hab sie genau im Visier."

Jack senkte das Nachtsichtgerät, aktivierte mit der freien Hand einen weiteren Verbindungskanal, der ihn direkt ins Pentagon führte.

"Sie fühlen sich sicher, Karen. Wir sollten sobald als möglich zuschlagen. Was sagt das Verteidigungsministerium?"

"Steht geschlossen hinter euch. Der Präsident wurde bereits informiert, und hat sein OK gegeben, Jack. Wir brauchen nur noch den genauen Standpunkt, und das Problem ist gelöst."

"Keine Bedenken wegen... wegen der Jahreszeit?"

"Die Verräter haben es nicht besser verdient. Bei illegaler Spielzeugproduktion kennt die Regierungsspitze kein Pardon."

"Ich hab die Koordinaten." Chloe japste aufgeregt.

"Was siehst du, Jack?"

Der Agent riskierte einen kurzen Blick, bevor er sich wieder hinter die Mauer zurückzog.

"Es sind viele, nicht auszuschließen, dass es auch Unschuldige trifft!"

"Unschuldig ist niemand, der sein Land auf diese Weise missachtet", bellte Bill zurück.

"Wer ist ihr Anführer?"

Jacks Augen verengten sich zu Schlitzen.

"Er ist korpulent, weißer Bart, trägt einen auffälligen, roten Anzug, vermutlich eine Tracht oder Uniform."

"Wir sehen ihn jetzt." Bill beugte sich über Chloe, um das unscharfe Bild in Augenschein zu nehmen.

"Offensichtlich ist er in Eile, hetzt seine Arbeiter ganz schön in der Gegend herum."

"Ich wusste doch, dass es hier um Sekunden geht", knurrte Jack. "Wie könnte es auch anders sein?"

Er rieb sich die Stirn, sein gequälter Blick flog hinauf zum Sternenhimmel, der sich wie eine Kuppel über ihm wölbte, ungewöhnlich klar und still, als würde die Welt den Atem anhalten.

Was war es nur, das er vergessen hatte? Irgendetwas Wichtiges mussten sie übersehen haben, er könnte es schwören.

"Also gut, Jack." Auch Bills Stimme klang eigenartig gepresst.

"Das Ziel ist anvisiert, die Raketen in Stellung. Internationale Konflikte wurden ausgeschlossen, die führenden Nationen der Erde sind sich einig, dass im Bereich des freien Handels keine Betrügereien erlaubt sind."

"Ich verstehe, Sir", murmelte Jack abwesend.

"Wir sind uns doch einig, dass unser Wirtschaftssystem ernsthaft Gefahr läuft zu kollabieren, wenn wir einfach jedem erlauben würden, ungehemmt zu produzieren und sinnlos zu verteilen, ohne die Regeln des Marktes zu beachten, ohne sich um die selbstregulierenden Kräfte von Angebot, Nachfrage, die belebenden Wechselwirkungen von Zoll, Einfuhr-, Ausfuhrerlaubnis, Steuern, Preisdruck, Monopolmissbrauch, Erpressung..."

"Ich weiß", warf Jack ein. "Ebensowenig wie die Transportindustrie es dulden kann, dass Waren unmittelbar ihrer Bestimmung zugeführt werden... ganz zu schweigen von dem Mangel an Kohlendioxidausstoß durch die streng verbotene Beförderung mit Hilfe fliegender Rentiere. Trotzdem..."

Er schüttelte zweifelnd den Kopf, zupfte unsicher an der schusssicheren Weste.

"Trotzdem kommt es mir irgendwie falsch vor... als hätten wir..."

Er sah erneut empor, hinauf in die sternklare Nacht und ihn fröstelte.

"Es schneit", murmelte er, mit traurigem Blick einer einzelnen, verirrten Flocke folgend, die langsam aus dem wolkenlosen Himmel zu ihm hinab taumelte.

"Es schneit in Los Angeles."

"Was?"

Bill sah Chloe erstaunt an, die sich mit dem Finger gegen die Stirn tippte.

"Jack, mein Junge." Er fuhr sich durch das silbergraue Haar, bemühte sich, den Worten einen besänftigenden, beruhigenden Unterton zu geben.

"Du bist überarbeitet. Nur noch diesen Auftrag, dann gehst du in Urlaub."

"Ich weiß nicht."

"Aber ich weiß... wir jagen jetzt diese Brutstätte terroristisch - kommunistischen Ursprunges in die Luft, und dann legst du die Füße hoch und genießt die Feiertage."

Jack zog die Stirn in Falten.

"Feiertage", flüsterte er. "Endlich Ruhe und..."

Er stockte, drehte, ohne es zu merken, an den Schlaufen seines Patronengurtes.

"Genau", mischte sich Chloe ein, seine Verwirrung selbst durch die Drähte absorbierend.

"Ruhe und... und... das, wovon manchmal in diesem Zusammenhang gesprochen wird...

Aber zuerst musst du diesen Verbrecher erledigen, Jack. Er erhebt sein scheußliches Antlitz nur an diesem einen Tag im Jahr, und doch gelingt es ihm irgendwie, ihn endlos erscheinen zu lassen... erstaunlich, wie er das immer wieder..."

"Ich weiß wie das ist; Chloe... ich weiß es."

"Um so besser!" Bill's Worte durchschnitten messerscharf die Luft.

Jack war mit einem Mal, als würde eine sanfte Brise ihm den Klang von Glöckchen entgegen wehen. Er wand den Kopf, reckte ihn in die Richtung aus der das hauchzarte Geläut sich näherte.

Bill holte tief Luft.

"Jack, du bist doch kein Anfänger. Nur noch den Peilsender befestigen, aktivieren, das Signal zum Abschuss senden, und wir haben endgültig Ruhe vor diesen fundamentalistischen Geschenkeverteilern."

"Morris, sieh doch nur", quietschte Chloe mit einem Mal und wies auf die Satellitenbilder, die nun begannen, sich dem Ziel von verschiedenen Winkeln aus, zu nähern.

"Nein wie niedlich... die grünen Käppchen... und die spitzen Öhrchen..."

Bill schnellte herum.

"Lass dich nicht ablenken", warnte er. "Die Verschwörer haben ihre Zellen vom Nordpol aus überall etabliert, es gibt kaum noch ein Land, das sie noch nicht unterwandert haben. Die Bedrohung darf auf keinen Fall unterschätzt werden."

"Verstanden."

Jack senkte schweren Herzens den Kopf. Ein leises Stöhnen entrang sich seinen Lippen, als er den Schalldämpfer kunstgerecht befestigte, die Skimütze über die Augen zog.

Bill hatte Recht. In der heutigen Zeit gab es keinen Platz für Elemente, die sich weigerten Rücksicht auf das empfindliche Gleichgewicht der ökonomischen Kräfte zu nehmen.

Es war eine Frage der nationalen, nein, der internationalen Sicherheit, zweifellos eine Notwendigkeit, seine persönliche, heilige Pflicht, diesem, so gar nicht marktorientierten Geben und Nehmen, ein für alle Mal ein Ende zu bereiten.

Der winzige Sender, der hochexplosives Material pfeilgerade zur Wurzel des Übels lenken sollte, bohrte sich unangenehm in seine Hüfte.

Der Moment war gekommen, es gab keine Alternative, keine weitere Möglichkeit, so sehr er sich auch dagegen sträuben mochte, das Unausweichliche zu akzeptieren.

Ein merkwürdiger Duft erfüllte die Luft, als er sich lautlos, auf schwarzen Gummisohlen, an der schroffen Mauer entlang tastete. Er erinnerte ihn an seine Kindheit, an eine besondere Zeit, angefüllt mit dem Aroma von Gewürzen und Kerzen.

Nun konnte er das Geläut deutlicher vernehmen, es vibrierte hell, und ihm schien, als würde es von leise summenden Schellen begleitet.

Ein glitzernder Faden sank zu Boden.

"Engelshaar", dachte Jack und fing ihn achtlos, während er den Schalter betätigte, der das unscheinbare, elektronische Gerät in eine Quelle pulsierender, leuchtender Wellen verwandelte.

Nur eine einzige, weitere Explosion in dieser Nacht, und die Welt würde im kommenden Jahr ein klein wenig sicherer sein.



Und darauf kam es schließlich an.

Eine Petrelli - Weihnacht

Fanfiction
Titel: Eine Petrelli-Weihnacht
Autor: callisto24
Fandom: Heroes
Rating: PG
Genre: comedy
Warnung: Sehr leichte Spoiler für Season 3
Disclaimer: Nichts davon gehört mir und ich verdiene hiermit auch kein Geld.

* * *


„Eine Weihnachtsparty?“
Nathan schüttelte den Kopf. „Ich bin mir nicht sicher, ob das angemessen ist. Nach all dem Chaos, das wir in den letzten Jahren angerichtet haben, halte ich es beinahe für gefährlich zu viele von uns in einem Raum zu versammeln. Geschweige denn unter einem Baum.“

„Dann eben nur die Familie.“ Peter grinste schief. „Irgendwie sind wir doch ohnehin alle miteinander verwandt.“
„Sei nicht albern“, wandte seine Mutter ein. „Da gibt es sicher jemanden, der nicht mit uns auf irgendeine Weise verknüpft ist.“

Nathan kratzte sich an der Schläfe. „Ich weiß nicht“, murmelte er. „Zählt zusammen im Labor gezeugt auch als verwandt?“

Peter verzog das Gesicht. „Du willst doch nur wieder mit einer deiner zahlreichen Blondinen schäkern. Was würde deine Frau dazu sagen?“
Nathan zuckte mit den Schultern. „Heidi bringt Mohinder Suresh mit. Sie erzählt mir von nichts anderem, als von ihrem Wunsch, ihn mit Sahne einzusprühen und abzulecken. Und wie ich aus Erfahrung weiß, bekommt Heidi was sie will.“

„Also kommt Mohinder“, rief Claire triumphierend. „Dann will ich aber Hiro und Ando dabei haben. Mit denen kann man sich wenigstens unterhalten.“
Nathan blickte sie streng an. „Ich bin nicht sicher, ob die Beiden der richtige Umgang für dich sind, Liebes.“
Claire verschränkte ihre Arme vor der Brust und schob die Unterlippe vor. „Weil sie Asiaten sind? Ich hätte nicht gedacht, dass du so… so…“
Nathan schnaubte. „Das bin ich nicht. Aber du gehörst aufs College, junge Dame. Und da ist jeder Moment, der mit Comics und Star Trek Zitaten vergeudet wird, ein unwiederbringlicher Verlust. Ich habe schon beschlossen, dir auch das Cheerleading zu untersagen, wenn deine Leistungen in Latein nicht besser werden. Latein ist ungeheuer wichtig. Aus Caesars gallischen Kriegen zog ich die besten Lehren.“

Claire schnappte nach Luft. „Du willst mir was verbieten? Aber Cheerleader zu spielen ist mein Leben. Was glaubst du wer…? Ich meine… du bist nicht mein… also gut, du bist… aber du bist nur einer meiner Väter.
Daddy?“

Sie drehte sich zu Noah um, der gerade einen Lebkuchenbrösel von seiner Jacke entfernte.
„Hm? Was ist los, Claire-Bär?“
Claire stemmte ihre Hände in die Hüften und deutete mit einem Kopfnicken auf ihren biologischen Vater. „Nathan ist gemein zu mir.“

„Was?“ Noah zog die Augenbrauen hoch. Langsam nahm er seine Hornbrille ab, legte sie sorgfältig auf dem Glastisch ab und ging einen Schritt auf Nathan zu. Er streckte sich ein wenig, und Nathan legte den Kopf in den Nacken, um ihm ins Gesicht sehen zu können.
„Du willst Ärger, Petrelli?“
Nathan schluckte. „Wer… ich? Nein…“
Rasch wand er sich zu Claire um. „Hiro und Ando also, geht klar. Nette Jungs übrigens.“

Noah räusperte sich, nahm seine Brille wieder auf. „Worum geht es eigentlich?“
„Die Weihnachtsfeier“, antwortete Angela. „Wir überlegen uns, wer eingeladen wird.“
„Alles klar“, nickte Noah. „Wir kommen. Ich sage auch Danko Bescheid. In letzter Zeit verstehen wir uns recht gut.“
„Auf gar keinen Fall“, explodierte Nathan. „Der Winzling kommt mir nicht ins Haus.“
„Ich muss auch sagen“, mischte sich Peter ein. „Ich meine… der Typ ist gewalttätig.“

„Ach was“, winkte Noah ab. „Ihr wollt nur die kleinsten Männer im Raum sein. Wir wissen alle, dass Frauen auf klein stehen.“
„Das war unfair“, schmollte Peter und verschränkte die Arme.
Nathan war in zwei Schritten bei ihm, legte ihm seine Hand auf die Schulter und neigte sich vor, um dem Jüngeren ins Ohr zu flüstern. „Mach dir nichts draus, Bro. Der Große ist nur eifersüchtig.“ Sein verächtlicher Blick traf Noah.

Laut sagte er: „Es könnte nichts damit zu tun haben, dass wir beide vielleicht besonders hübsch sind? Sieh dir mal die ganzen Fanseiten im Internet an. Da kannst Du nicht mithalten.“
Noah kräuselte die Lippen.
„Aber als ich noch jünger war, eine Fön-Frisur trug, schwul und tierisch reich war, da hätte ich euch allemal ausgestochen.“

„Wie bitte?“
Angela sah ihn irritiert an. „Noah-Darling, du verwechselst die Serien.“

Claire blickte von der Tätigkeit auf, ihr goldenes Haar sorgfältig auf gespaltene Spitzen zu prüfen.
„Hat jemand von mir gesprochen?“
Noah seufzte. „Nein, Liebes. Mit ‚hübsch‘ haben die Petrellis sich selbst gemeint.“

Claires Mund klappte auf. „Also ich weiß ja, dass Blondinen mit Vorurteilen zu kämpfen haben, aber das ist ungerecht. Ich meine: dunkle Haare, dunkle Augen und der Latino-Typ? Da gerät jede noch so schöne Frau ins Hintertreffen.“
„Das ist wahr.“ Nathan strich sich das Haar zurück. „Deshalb gehen wir auch nur gemeinsam aus. Für einen von uns alleine ist es zu gefährlich. Wir sind gewissermaßen freilaufende Beute.“

Peter nickte. „So ist es. Gemeinsam können wir sie irritieren. Sie sehen uns, können sich nicht entscheiden, wer schöner ist, und bevor sie zu einer Seite tendieren, ergreifen wir die Flucht.“
Angela lächelte stolz. „Meine Jungs. So praktisch.“
Sie blickte in die Runde. „Das haben sie von mir. Neben Haaren, Augen und dem Sinn für Stil. Doch zurück zum Thema. Wer kommt noch?“

„Der Kleine“, schlug Nathan vor. „Weihnachten ist was für Kinder. Und Micah ist doch ein Kind, oder?“
„Du willst doch nur, dass er eine seiner Mütter mitbringt“, beschwerte sich Peter. „Mach mir nichts vor.“
„Ganz und gar nicht“, behauptete Nathan. „Aber im Wahlkampf kenne ich mich aus. Politiker und Kinder kommen immer gut. Gerade an Weihnachten.“

„Aha“, rief Peter. „Das ist es also. Du denkst wieder nur an die Karriere. Deine Familie interessiert dich überhaupt nicht.“
Er stampfte mit dem Fuß auf. „Ich hab es so satt, dass immer alles um dich geht.“

Noah fuhr ihm väterlich durchs Haar. „Aber das ist doch gar nicht wahr, Peter. Du spielst immer noch die Hauptrolle. Auf allen Fotos stehst du in der Mitte.“
Nathan sah interessiert auf. „Ach, dass ist dir auch aufgefallen?“

Noah zuckte mit den Schultern, als Angela dazwischen ging. „Kinder, Kinder. Wir wollen doch nicht streiten, und das so kurz vor Weihnachten. Eifersüchteleien passen nun überhaupt nicht zum Fest.“

Claires Lippen zitterten. „Aber ich dachte, ich wäre der Star. Ich meine, ich bin jung und niedlich… und erfolgreich… und in jeder Staffel habe ich einen anderen Freund.“
„Wie bitte?“, riefen Noah und Nathan aus einem Munde.
„Ja, was dachtet ihr denn?“, schüttelte Angela den Kopf. „Dass sie sich nur für Comics interessiert, und dafür die Welt zu retten.“

Nathan und Noah sahen sich verblüfft an. „Ähm… sie darf natürlich hin und wieder… also mit einem reden… solange es den Handlungsverlauf nicht beeinträchtigt.“
„Ach ihr.“ Angela winkte ab.

Peter ertrug es nicht so lange unbeachtet zu bleiben und trat einen Schritt vor. „Also, wenn wir uns ohnehin vor diesen ganzen Co-Stars nicht retten können, dann will ich Matt Parkman.“

„Bist du verrückt?“ Claire wurde rot. „Der kann alle meine Gedanken lesen.“
Nathan stieß mit Noah zusammen, als sie sich gleichzeitig zu ihr umdrehten.
„Wieso?“, fragte Noah beunruhigt. „Was könnte er denn lesen… bei dir?“
Claire wich seinem Blick aus und hüstelte. „Bei mir… nichts. Aber… aber… ich denke an die Petrellis. Diese ganzen Familiengeheimnisse… wenn das erst rauskommt.“

„Du bist auch eine Petrelli.“ Nathan ließ sich so schnell nicht beschwichtigen. „Und was die Familiengeheimnisse angeht…“
„Die sind echt krank“, bemerkte Angela.
Nathan fuhr herum. „Mutter!“

„Naja.“ Angela zuckte mit den Schultern. „Ihr wisst schon. Ich will doch auch nicht, dass an die Öffentlichkeit dringt, womit ihr als Kinder am liebsten gespielt hat.“
Peter räusperte sich verlegen. „Viele Jungens spielen mit Barbie-Puppen ohne dass es ihnen schadet. Und schließlich hatte Nathan noch das Traumhaus, die Pferde und den Frisiersalon.“
Nathan schnalzte mit der Zunge und strafte Peters Haare mit einem verächtlichen Blick. „Als ob es etwas genutzt hätte.“
Peter sah verletzt zu Boden und Angela seufzte. „Nathan, das war unter der Gürtellinie. Peters Frisur ist sehr… geschmackvoll.“

„Können wir vielleicht mal zurück zum Thema kommen?“, rief Noah verzweifelt und riskierte einen Blick auf seine Uhr.
„Wieso? Was hast du es auf einmal so eilig?“ Claires Augen weiteten sich. „Nein – sag nicht, dass du dich wieder heimlich mit dem triffst.“
Noah räusperte sich und sah unbehaglich zur Seite.
„Eigentlich ist er ein netter Junge. Nur missverstanden. Wenn man ihm eine Chance gibt…“

„Der Typ bringt alle um!“, kreischte Claire. „Von Anfang an hörte er nicht damit auf, Ärger zu verursachen.“
„Da muss ich Claire recht geben“, stand Peter ihr bei. „Sylar fängt echt an zu nerven.“
Noah seufzte. „Ihr hattet nur einen schlechten Start. Es schlummert viel mehr in ihm. Ich sehe da durchaus Potential.“
„Potential?“, fragte Nathan skeptisch.

Noah nickte eifrig. „Ganz genau. Bedenkt, dass Peter um ein Haar New York in die Luft gejagt hätte, und dann kurz davor stand, die Welt zu verseuchen… um nur zwei Dinge zu nennen. Dagegen sieht Sylars kleines Hobby doch fast harmlos aus.“

In diesem Moment schellte aggressiv die Türklingel und nachdem der Butler die Tür geöffnet hatte, stürzte ein aufgelöster Matt Parkman in den Raum.
Er steuerte direkt auf Nathan zu und klammerte sich erschöpft an dessen Schultern. Erst jetzt fiel die grünliche Färbung auf, die sein Gesicht aufwies.

„Ich… ich habe…“, stammelte er.
„Was hast du, Matt?“ Peter riss die Augen auf, und legte den Kopf schief.
Der ehemalige Polizist drehte sich zu ihm um und seine Augen wirkten beinahe noch größer als die seines Gegenübers.
„Ich habe… Gottes Gedanken gelesen“, brachte Matt mühsam hervor. „Ich ging zufällig an einer Kirche vorbei… und dann…“ Er verstummte, aber das Grün in seinem Gesicht vertiefte sich.

Angela hob die Augenbrauen. „Interessant, Matt. Was hat er denn gedacht?“
Matt schluckte, behielt jedoch den Augenkontakt mit Peter bei, als könne ihn dieser beruhigen.
„Er wirkte verstört, und… und… sein Sohn stellt sich quer.“
„Wie… stellt sich quer?“ Noah mischte sich interessiert ein.
Matt räusperte sich. „Er… er sagt Weihnachten ab – behauptet, es sei schließlich sein Geburtstag.“

„Wer – Gott?“ Claire blickte verwirrt von einem zum anderen.
„Nein“, bemerkte Peter, der als erster verstanden hatte. „Sein Sohn.“
„Sein Sohn?“ Nathan runzelte die Stirn. „Wer soll das sein? Und was hat er damit zu schaffen?“

Angela verdrehte die Augen. „Nathan – warst du denn seit deiner Kommunion in keinem Gotteshaus mehr?“
Nathan wand sich unbehaglich. „Ich… ich hatte auch für die Kommunion keine Zeit damals. Ein Klassenkamerad ging für mich.“

Angela seufzte. „Matt spricht natürlich von Jesus Christus. Um ihn geht es doch bei der ganzen Sache.“
Claire schluckte. „Aber wieso kann ein Typ wie der einfach alles absagen? Wie kommt der darauf?“

Matt drehte sich zu ihr. „Er hat genug davon, dass in jeder zweiten Serie sein Name missbraucht wird“, gab er heiser zu. „Und nun will er sich von allem zurückziehen. Und… und es handelt sich schließlich um seinen persönlichen Ehrentag. Ohne die Sache in dem Stall...“
Noah rückte seine Brille gerade. „Das mag durchaus sein“, überlegte er.
„Aber seien wir doch ehrlich. Im Grunde hat Jesus inzwischen mit Weihnachten nur noch am Rande zu tun. Weder Weihnachtsbaum noch Adventskranz gehen auf sein Konto. Und nicht einmal die Geschenke. Das waren die Heiligen Drei Könige. Also, wenn die Einwände hätten, wäre es vielleicht etwas anderes, aber so?“

Er sah Angela an, die seinen Blick nachdenklich erwiderte. „Ich denke fast, dass du recht hast, mein Lieber“, murmelte sie versonnen. „Er tat nichts, außer im Stroh zu liegen. All das, was Weihnachten heutzutage ist, wurde unabhängig von ihm erschaffen.“

Matt richtete sich auf. Langsam kehrte die gewohnt rosige Farbe in sein Gesicht zurück.
„Ihr meint also, es ist noch nicht alles verloren?“

Noah schüttelte entschieden den Kopf. „Definitiv nicht. Das Konzept steht und die Party findet statt. Aufgrund des beträchtlichen Zeitraumes, der seit dem Ereignis verstrichen ist, auf das dieser Hippie sich beruft, besitzt er auch keinerlei Urheberrechte mehr. Eigentlich könnte er froh sein, noch irgendwo unterzukommen.“

Angela verengte ihre Augen zu Schlitzen. „Mein Lieber – ich denke, dass sich mir eine Vision aufdrängt.“
„Oh nein“, seufzten Peter und Nathan wie aus einem Munde. „Bitte nicht schon wieder.“

„Doch.“ Angela nickte triumphierend. „Wir engagieren Jesus Christus als Gaststar für die Weihnachtsfolge. Einschaltquoten garantiert. Und noch dazu ist er fraglos einer von uns. Ich meine: Über Wasser laufen, Fisch und Wein vervielfältigen und vom Tode auferstehen? Wenn das nicht eindeutig ist.“

„Du meinst…?“ Claire riss den Mund auf.
„Ganz recht“, bestätigte Angela und lächelte leicht. Dan Brown hat sich nicht geirrt.“
„Aber dann…“ Nun war es an Nathan seinen Mund aufzuklappen.
„Das ist doch keine Überraschung“, brummte Noah kopfschüttelnd. „Die Geschichte ist voll von euch Mutierten. Das muss eine Blutlinie sein.
Propheten, Wunderheiler, Religionsgründer – mit oder ohne ihr eigenes Wissen…“

„Oh mein Gott“, rief Peter passend aus. „Das ist es. Er wollte keine Religion erschaffen. Christus wurde nur missverstanden, fehlinterpretiert. Genauso wie ich…“

Nathan strich ihm mitleidig übers Haar. „Aber sicher, Kleiner. Deshalb haben wir dich doch mit ausgebreiteten Armen vom Dach fallen lassen. Sag bloß, du hast die Anspielung nicht begriffen?“
Peter schob beleidigt seine Unterlippe vor. „Die Serie ist so überladen mit Anspielungen, da kommt kein normaler Mensch mehr mit.“

„Aber sicher, mein Junge.“ Angela leistete Nathan Gesellschaft dabei Peter übers Haar zu streichen. „Keine Sorge. Das Denken übernehmen wir für dich. Und vielleicht kann der Erlöser dir beizeiten ein paar wertvolle Tipps für die Zukunft geben.“

Noah hob mahnend beide Hände. „Nicht so schnell. Ich dachte, Matt hätte gesagt, der Messias wolle sich vom Geschäft zurückziehen. Ist es nicht so, Matt?“
Matt, der gerade dabei war aus Spekulatius ein Kartenhaus zu bauen, sah verwirrt auf. „Wie… äh… ja, genau.“

Nathan winkte ab, entblößte dann gekonnt seine Zähne zu dem gewinnenden Politikerlächeln für das er berühmt war. „Lasst mich die Verhandlungen führen, Leute. Meinem Charme konnte noch niemand widerstehen. Auch Gottes Sohn dürfte da keine Ausnahme bilden.“

Angela rieb sich die Hände. „Dann wäre das ja soweit geklärt. Ich wusste, dass wir es schaffen. So lasset die Spiele beginnen.“

„Aber welche Spiele denn jetzt?“ Claire knabberte konzentriert an ihrer Unterlippe. „Ich versteh nur Bahnhof.“
„Liebes“, lächelte Angela. „So muss es sein. Und ich verspreche dir, es geht dem Zuschauer nicht anders. Die Serienwelt trägt ebenso viele Irrungen, Wirrungen und Geheimnisse in sich, wie unsere Schöpfung.“

Sie lehnte sich vertraulich vorwärts. „Liegt daran, dass die kreativen Köpfe, ob es sich nun um überarbeitete Drehbuchautoren oder übernatürliche Wesen handelt, allzu oft den Anforderungen nicht gewachsen sind. Da müssen wir Geduld aufbringen, abwarten und im Stillen hoffen, dass es besser wird.“

„Was – die Serie?“, murmelte Matt mit vollem Mund, da er gerade den Schornstein seines Spekulatius-Hauses probierte. „Die ist doch gut.“
„Sicher, Parkman.“ Nathan klopfte ihm auf den Rücken bis Matt hustete. „Wenn wir unsere Ansprüche zurückschrauben, kommen wir mit beidem zurecht, mit der Welt und mit der Serie.“

Claire zuckte mit den Schultern. „Klingt in Ordnung für mich. Ich will nur etwas Spaß haben.“
Peter strich sich eine Locke aus der Stirn. „Also ich weiß nicht… da muss doch mehr sein… ein Sinn…“

Angela stemmte die Arme in die Hüfte. „Heute nicht. Viel Zeit bleibt uns nicht mehr. Vorbereitung, Catering, Dekoration, Studio, Setting, Casting, Maske, Soundtrack und vielleicht eines Tages ein Spielfilm… da kommt noch einiges auf uns zu.“
„Alles klar, Ma“, stimmte Nathan ihr zu und sah auf seine Armbanduhr. „Ich mach dann mal einen Termin mit Jesus. Vielleicht krieg ich seinen Dad auch ans Rohr.“
Matt schluckte. „Ich weiß nicht, ob du… er klang ein wenig aufgebracht.“
„Parkman!“ Angela schüttelte den Kopf. „Hab ein wenig Gottvertrauen. Mein Junge macht das schon.“
„So ist es.“ Nathan strich seinen Anzug glatt, öffnete das Fenster und schoss ohne ein weiteres Wort in die Höhe.
Angela schüttelte den Kopf. „Wenn er nur nicht so unhöflich wäre. Von mir hat er das nicht. Egal – Frohe Weihnachten und Cut!“



Ende

Sonntag, 5. April 2009

Wasser

Wasser

Schon immer hatte er sich auf eine geradezu abartige Weise vor dem Wasser gefürchtet. Seine Mutter war nicht müde geworden, immer wieder davon zu erzählen, wie er sich mit Händen und Füßen und lautstarkem Gebrüll bereits als Baby vor dem Waschen gefürchtet, beim Anblick der Badewanne in regelrechte Panikattacken ausgebrochen war.
Man hatte dieser Eigenart schließlich Rechnung getragen und sich damit begnügt, ihn lediglich mit einem feuchten Waschlappen zu säubern. Ebenso gewöhnten seine Eltern sich an, ihm die Haare stets bis an die Grenze zur Nichtexistenz abzuschneiden, einzig zu dem Zwecke, damit auch hier die soeben erwähnte Reinigungsmethode ausreichte.
Auf Vergnügungen, denen sich andere Kinder hingaben, wie das Plantschen in offenen Gewässern, oder auf das lediglich barfüßige Waten durch sanft dahinplätschernde Wellen, verzichteten sie sehr bald. Gedanken an Schwimmen lernen, Urlaub am Meer oder in Badeparadiesen kamen erst gar nicht zur Sprache.
Felix vermisste Vergnüglichkeiten dieser Art nicht im Geringsten. Im Gegenteil, für die begeisterten Berichte seiner Klassenkameraden, oder deren sommerliche Verabredungen in Freibädern oder am Badesee, zeigte er nur ein verächtliches Lächeln.
Nach seiner Ansicht war der Mensch nicht dafür geboren, sein Leben im oder auch nur am Wasser zu verbringen. Die Sehnsucht der meisten seiner Mitbürger nach dem Anblick der unendlich blauen Fläche, dem unverkennbaren Geruch nach Algen und Seetang, verstand Felix nicht einmal ansatzweise.
Wuchsen ihm etwa Schwimmhäute zwischen den Fingern und Zehen, oder war es ihm gegeben, mit Kiemen ausgestattet unter Wasser zu überleben?
Mit Sicherheit nicht, und Felix war davon überzeugt, dass in diesen Vorgaben der Natur ein Sinn lag und eine Anweisung, der er nicht plante, sich zu widersetzen.
Nein, er hielt es mit den weisen Naturvölkern, die sich von ihren Gewässern fernhielten, bedachte dabei allerdings nicht, dass diese aus guten Gründen, wie dem Wunsch zu Überleben handelten.
Beinhalteten die mit dem Wasser verbundenen Gefahren doch ekelhaftes und unberechenbares Getier, wie nur als Beispiel erwähnt Krokodile oder Schlangen. Viel schlimmer und furchteinflößender stellten sich ihm die Möglichkeiten dar, die sich jedem Parasiten bot, der sich auf einen nichtsahnend in die verseuchte Flüssigkeit steigenden und nur allzu verwundbaren Körper stürzen konnte. Angefangen mit Blutegeln, machten die Horrorgeschichten auch nicht vor dem widerlichsten Gewürm Halt, das sich durch jede Körperöffnung Einlass verschaffen und sein zerstörerisches Werk beginnen konnte.
Es blieb dabei, Wasser war ein zu unabwägbares Risiko, als dass man allzu leichtfertig damit umgehen sollte.
Als Felix älter wurde, gewöhnte er sich an, auch bei dem, was er aufnahm und nicht nur bei der Umgebung, der er seinen Körper aussetzte, genauestens auf seine Sicherheit zu achten.
Wasser, das er zu trinken beabsichtigte, musste gründlich abgekocht werden, mindestens zehn Minuten, bestenfalls über einen Zeitraum von zwanzig Minuten.
Da Felix zu dieser Zeit gerade mitten in wichtigen Prüfungen steckte, nahm seine Mutter die Mühe gerne in Kauf und sorgte dafür, dass jede Flüssigkeit, die ihr Sohn aufzunehmen beabsichtigte, auch die gewünschte Zeit sterilisiert wurde.
Immerhin – sicher war sicher – und im Grunde konnte es auch kein Fehler sein, auf seine Gesundheit zu achten.
Und gesund blieb Felix, das musste jeder in seiner Umgebung zugeben. Als würden die Keime einen Bogen um ihn machen, so erkältete er sich so gut wie nie, blieb von geradezu nervtötender Gesundheit.
Ein wenig anstrengender, aber immer noch akzeptabel wurde es in ihren Augen, als Felix beschloss, dass auch zum täglichen Putzen der Zähne und dem ohnehin schon sparsam ausgeführten Ritual der Körperpflege nichts anderes, als bereits abgekochtes Wasser akzeptiert werden konnte.
Die Prüfungen gingen vorbei, und Felix begann sein Studium. Er entschied sich in der nahegelegenen Großstadt zu studieren, um das Geld für die Unterkunft zu sparen. Nicht nötig war es dabei zu erwähnen, dass es ihm in jeder anderen Umgebung, außerhalb der seiner Eltern, kaum möglich gewesen wäre, sein Tagespensum zu erfüllen.
Dieses beinhaltete neuerdings zu dem Abkochen jeder Flüssigkeit, auch noch die dreifache Wiederholung des Vaterunsers, begleitet von einer genauestens ausgeklügelten Abfolge gymnastischer Übungen, die er sich bereits vor Jahren zusammengestellt hatte.
Diese bezweckte eine ausgewogene und wiederholte Anspannung und darauffolgende Entspannung sämtlicher Muskelpartien, eine Möglichkeit, wie er sie sah, um den Körper zu reinigen von den schädlichen Einflüssen, denen er während der Fahrt zur Uni ausgesetzt war.
Sein Pech wollte es nämlich, dass diese Fahrt direkt an einem Gewässer vorbeiführte.
Zugegeben, er sah dieses nur durch die trüben Scheiben eines Zugfensters, doch allein das Wissen um die Existenz, um die unmittelbare Nähe mit der Gefahr, erweckte in Felix unangenehmste Gefühle. Diese schienen ihm am ehesten noch mit denen vergleichbar, die ihn bereits während Kindheit in ein nervliches Wrack verwandelt hatten.
Er sprach nicht über sein Leiden. Wenn ihm doch eine Bemerkung herausrutschte im Beisein eines Menschen, dem er genug Vertrauen schenkte, als dass er sich soweit öffnen konnte, so führte sie zumeist zu ähnlichen gutgemeinten, wenngleich unnötigen Ratschlägen.
Da war zum Beispiel der Vorschlag, doch den Führerschein zu machen und mit Hilfe eines Autos der so verhassten Zugfahrt aus dem Weg zu gehen.
Felix nickte nur höflich zu Ratschlägen wie diesem und bedankte sich nach allen Regeln des Anstands.
Tief in sich konnte er jedoch nicht anders, als heftig den Kopf zu schütteln über die Naivität einer solchen Denkungsart.
Bedachten all die wohlmeinenden Personen doch weder, dass der Besitz eines Autos die zwangsläufige Reinigung desselben zur Folge hatte. Und weder hatte Felix vor, sich mit eimerweise abgekochten Wasser an das Polieren eines Haufen Blechs zu begeben, noch zog er auch nur den Bruchteil einer Sekunde die Möglichkeit der Waschanlage in Erwägung. Allein ein Anblick eines solchen Gebildes ließ Felix bereits erschauern.
Doch der Schwerwiegendste aller Gründe lag in dem Rinnsal von Bach, das sich direkt um die einzige Fahrschule des kleinen Vorortes schlängelte.
Ein Bach, der immer noch groß genug war, als dass Felix, sobald er in dessen Nähe kam, gezwungen war, sein Ritual der Vaterunser und der rhythmischen Übungen auszuführen.
Nicht selten erntete er dabei schräge Blicke von zufällig Vorbeigehenden, doch im Laufe der Zeit gewöhnte er sich an diese Unannehmlichkeit und bemühte sich, darüber hinweg zu sehen.
Andere Menschen verstanden nicht, was er verstand. Sie sahen die Gefahren nicht, denen er täglich ausgesetzt war. Und manchmal beneidete Felix sie, beneidete sie um ihre Leichtfertigkeit, ihre Gedankenlosigkeit, ihr oberflächliches Treiben über die klaffenden Abgründe der Welt hinweg, vorbei an hungrigen Monstern und unsichtbaren Gefahren.
Nur er sah sie, sah jedes Monster in jeder erschreckenden Einzelheit, erkannte jede Gefahr in ihrer ganzen Ausprägung, ihrem fürchterlichen Grauen.
Und so blieb es seine Aufgabe, die Drohungen des Unvorhersehbaren in Schach zu halten, seine Aufgabe, mit all seinen Möglichkeiten dagegen anzukämpfen, dass das Böse die Überhand gewann, dass der Schrecken die Kontrolle übernahm.
Er hatte keine andere Wahl, als seine Übungen auszudehnen, als seine Einschränkungen genauer zu definieren.
Bald sah man ihn fast ausschließlich mit unermüdlich sich bewegenden Lippen. Ständige Vaterunser entströmten seinem Mund, verstummten nur, wenn die Anstrengung des Trainings ihm die Puste nahmen.
Denn seinen Körper zu stählen, abzuhärten, sah Felix als einzigen Ausweg aus dem Dilemma der immer größer werden Risiken, die ihn umgaben.
Er musste Umwege nehmen, joggte durch mehrere Querstraßen, vor und zurück, um von dem Brunnen auf dem Marktplatz den größtmöglichen Abstand zu halten.
Dazu kamen die unvorhergesehenen Notwendigkeiten, wie zum Beispiel gerade im Sommer die zunehmende Anzahl offen herumstehender Wasserflaschen, Gießkannen oder noch schlimmer: laufender Gartensprenganlagen.
Felix sprach bald nicht mehr, nichts Anderes als sein zum Mantra gewordenes Gebet. Zu sehr waren seine Lippen damit beschäftigt, die Worte des Vaterunsers zu formen.
Die Übungen, die er mittlerweile um einige Kniebeugen und Liegestützen erweitert hatte, nahmen ihn zu sehr in Anspruch, als dass er noch den Aufgaben des Studiums nachkommen konnte.
Unnötig zu erwähnen, dass seine Eltern sich hilflos fühlten. Schon seit langem war jede Ansprache an ihn ungehört verhallt. Zu lange hatten sie sein Verständnis vorgaukelndes Kopfnicken als positives Zeichen gewertet und nicht als das gesehen, was es war: Die Möglichkeit, sie für den Moment loszuwerden und sich ihrer unnötigen Mittäterschaft zu entledigen.
Der Priester, den sie aufgrund seiner unzerstörbaren Vorliebe für die Worte des Herrn holten, brachte sie nicht weiter, begnügte Felix sich doch damit, ihn mit Missachtung zu strafen, woraus jener unweigerlich schloss, dass es sich hierbei um kein kirchliches Problem handelte und sich umgehend empfahl.
Es überraschte also nicht wirklich festzustellen, dass den lieben Eltern von Felix die Belastung über kurz oder lang zu viel wurde. Nun – sie selbst überraschte es vielleicht und auch Felix. Obwohl Felix im Grunde zu abgelenkt war, um die Veränderungen um ihn wahrzunehmen.
Seine Eltern zogen sich auffallend zurück, nicht unbedingt absichtlich, sondern mehr aus Gründen der Notwendigkeit, besser gesagt aus Gründen der puren Selbsterhaltung.
Sie gingen Felix aus dem Weg, soweit ihnen dieses möglich war und sie ignorierten sein Verhalten mit all der verbleibenden Kraft, die ihnen zur Verfügung stand.
Unglücklicherweise handelte es sich bei dieser Kraft nur noch um einen spärlichen Rest dessen, was sie einst als junge Eltern ausgezeichnet hatte. Die jahrzehntelange Beobachtung, das Hegen und Pflegen einer Pflanze, die in keine Richtung wuchs, die sich im Kreis drehte und keine Anstalten unternahm, ihrem eigenen ewig verzweifelten Rundlauf ein Ende zu bereiten, hatten sie bis zu einem Punkt erschöpft, an dem kein Ausweg mehr zu existieren schien.
Sie liebten Felix, liebten ihn wirklich, und vielleicht war auch das der Grund, warum sie beschlossen, ihn und damit auch sich selbst von dem Elend, das sie eingeholt hatte, zu befreien.
Gerichtsverhandlungen, psychiatrische Sitzungen und Gefängnisstrafe ertrugen sie ohne zu klagen. Ruhig und stoisch saßen sie ihre Zeit ab, unterließen unnötige Verteidigungsmaßnahmen, leere Rechtfertigungen.
Denn sie waren sich einig, wie stets in den wichtigen Fragen ihrer Ehe, einig, dass es die Opfer wert war, endlich frei zu sein.
Und es war leichter gewesen, als erwartet. Kam ihnen der geschwächte Zustand ihres Sohnes doch zu Gute. Selbst wenn sie einen Moment befürchtet hätten, ihn mit ihren vereinten Kräften nicht unter dem Kissen festhalten zu können, so wussten sie doch, dass der tropfende Eimer Wassers neben seinem Bett, die erforderliche Lähmung zur Folge hatte, die eine Schrecksekunde, die sie brauchten.
Ihre Trauer hielt sich aus den erwähnten Gründen in Grenzen, und das erste, was sie unternahmen, nachdem ihre Freiheit ihnen wieder geschenkt worden war, bestand in einem Ausflug an die See. Wasser soweit das Auge reichte. Wasser und sonst nichts mehr.

Mittwoch, 4. Februar 2009

Berührung

Berührung

Sie berührten sich oft. Lange war es Janine nicht aufgefallen. Erst als Simon, halb im Scherz, halb mit Ernst begann seine Bemerkungen fallen zu lassen, da erkannte auch Janine, dass seine Beobachtungen keineswegs übertrieben waren.
Simon war der Clown am Set, immer hatte er einen Scherz auf den Lippen und darin lag wohl auch der Grund, dass niemand sein Geplänkel wirklich ernst nahm.
Und dann kannten sie alle Calvin, kannten seine Art. Er umarmte alles und jeden, und mit besonderer Vorliebe seine Kollegen. Als müsse er sich mit jedem verbünden, ein Bindung aufbauen, der ihm in einer Szene zuspielte, so küsste, knuffte oder fuhr er ihm durchs Haar, ob derjenige dies nun gut hieß oder nicht. Es war der Preis dafür, dass er sich wohlfühlte. Und wenn Calvin sich wohlfühlte in seinem Spiel, dann agierte er brillant, einer Oskar-Nominierung würdig, so zumindest die Zeitungen. Wenigstens die Zeitungen, die sich mit einer durchschnittlichen Fernsehserie wie der Ihren beschäftigten.
Obwohl es auf das Ensemble ankam, so gab es doch kaum einen Zweifel, dass Calvins Talent die Show in die erste Riege katapultieren konnte, ließe man ihm genug Freiraum. Doch soweit war es noch nicht. Sein Charakter war wichtig, unbestritten. Ebenso wichtig wie der Kevins.
Dabei begann alles mit der Konzentration auf Kevins Rolle, seine Entwicklung, sein Schicksal. Doch nur nach wenigen Folgen konnten Drehbuchautoren ebenso wenig wie verantwortliche Produzenten die Dynamik übersehen, die beide Schauspieler aus dem Nichts heraus kreierten. Sie reagierten und gebaren neue Handlungsstränge, neue Ideen, überraschende Wendungen.
Und Kevin wuchs über sich hinaus, seine Fähigkeiten wuchsen über alles hinaus, was er bislang gezeigt hatte. So erstaunte es niemanden, der die beiden zusammen erlebte, dass der Jüngere stets nur in den höchsten Tönen und voller tiefer Bewunderung von Calvin sprach. Sie ergänzten sich und die Freundschaft, die sich entwickelte kam natürlich und fließend.
Vielleicht lag es auch am Altersunterschied, am Mangel kollegialen Neides oder einfach an dem lockeren Umgang beider Darsteller mit dem plötzlich eintretenden Erfolg, dass es keinerlei Misstöne gab, dass beide in Interviews den anderen über das werbetechnisch notwendige Maß hinaus lobten und verehrten.
Für Janine war es ihre erste Rolle, ihre erste größere Rolle. Sie war jung und neu in dem Geschäft, mehr durch Zufall dazu gekommen, als durch irgendetwas anderes. Und trotzdem liebte sie es, liebte die Schauspielerei, liebte die Spannung, die Konzentration, das Abrufen höchster Leistungen unter Zeitdruck mehr als alles andere, was sie bislang versucht hatte.
Ihre ersten Schritte als Modell ließen sich besser verwerten, als ihre Agentin geglaubt hatte und so stieg sie rasch zu einer der beliebtesten Charaktere der Serie auf. Nicht von ungefähr und mit Sicherheit hilfreich war die Tatsache, dass sie dazu erkoren war, die große und heimliche Liebe für Kevins Charakter darzustellen. Ein Umstand, der ihr sehr entgegenkam, musste sie doch zugeben, einen schwachen Punkt in sich zu bemerken, jedesmal, wenn Kevin auf sie zukam.
Auch aus diesem Grund machte ihr Herz einen ordentlichen Sprung, als dieser eines Abends nach Drehschluss auf sie zukam.
Janine bemerkte den hilfesuchenden Blick und das darauf folgende, beinahe unmerkliche Nicken, mit dem Calvin antwortete, obwohl er sich gerade im Gespräch mit der Regieassistentin befand. Breit lächelnd und seinen Charme in alle Richtungen versprühend unterhielt er sich, doch seine Augen huschten von Zeit zu Zeit zu Kevin herüber, der immer noch ein wenig unsicher vor ihr stand.
Für einen Augenblick nur fragte Janine sich, wie Calvins Frau es wohl aushielt, dass dieser mit jedem weiblichen Wesen flirtete, mittlerweile offensichtlich ohne sich selbst dessen bewusst zu sein.
Janine legte den Kopf schief und strich ihr rötlich schimmerndes Haar zurück, sich sehr wohl bewusst, dass das Freilegen ihrer weißen Haut am Nacken und der Anblick der weichen Linie, die sich zwischen Hals und Schultern dehnte, ausreichten, um mehr als einen interessierten Betrachter in seinen Knien schwach werden zu lassen.
Auch Kevin schluckte trocken, lächelte dann sein typisches schiefes, jungenhaftes Lächeln und fragte sie, wie erwartet, ob sie nicht Lust habe, mit ihm auszugehen.
Natürlich hatte sie, und selbst wenn seine schlanke, beinahe schlaksige Gestalt und seine dunklen Locken ihr kein angenehmes Kribbeln im Unterleib verursacht hätten, so würde sie doch alleine zusagen, um der Presse eine hübsche Story aufzutischen und somit ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen.
Der Abend verlief nett und harmlos. Sie tasteten sich vorsichtig einander an, lernten sich kennen, doch ohne in die Tiefe zu gehen. Als die Paparazzi auftauchten, nahm Kevin ihre Hand und hielt sie, bis beide sicher gehen konnten, dass alle Schnappschüsse gemacht waren.
„Das war sehr schön“, sagte sie zum Abschied und bot ihm ihre Lippen, die er pflichtschuldig und doch zärtlich küsste. Viel zu kurz, wie sie fand, aber doch ein Anfang.
Und wie sie es sich hätten denken können, war Simon am nächsten Morgen der erste, der einschlägige Artikel und Schlagzeilen zitierte. „Die junge Liebe“, neckte er Janine, die ihm empfahl, seinen Text noch einmal durchzugehen, anstatt dumme Gerüchte zu verbreiten. Schließlich war für gewöhnlich nicht sie es, die Dreharbeiten verzögerte.
Simon jedoch ließ sich nicht beeindrucken. „Du willst also behaupten, es wäre nichts zwischen euch?“, stichelte er weiter.
Gegen ihren Willen fühlte Janine wie ihr das Blut in den Kopf stieg. „Gar nichts“, zischte sie zurück und verteilte Puder auf ihren Wangen. „Wir sind nur Freunde.“
„Ach so“, meinte Simon und steckte die zu seiner Uniform gehörende Marke an, die ebenso falsch war, wie alles andere am Set. „Nur Freunde, so wie Kevin mit Calvin nur befreundet ist.“
Janine entging der giftige Unterton, als sie bestätigte. „Genau so. Wir waren nur essen.“
Simon stand auf und pfiff vor sich hin, zwei der Zeitschriften, die er mitgebracht hatte, vor sich her wedelnd.
Janine zuckte zusammen, als eine lange Gestalt sich plötzlich über sie beugte. Zuerst dachte sie, Kevin würde ihr sanft ins Ohr pusten, doch dann verstand sie die leisen Worte.
„Ich muss mit dir sprechen“, flüsterte er und Janine nickte nur, unfähig zu antworten, da ihr ganzer Körper vibrierte und ihr Blut in den Ohren rauschte.
Doch es schien auch, als habe Kevin weiter nichts sagen wollen, denn als sie wieder zu sich kam, war er bereits verschwunden.
Sie hatten eine Szene zusammen und Janine glaubte, die Spannung knistern zu hören. Jedoch kam das leise Knistern nicht gegen die Funken an, die zwischen Kevin und Calvin flogen, als sie an einem einzigen Drehtag den Bogen zwischen Streit und Versöhnung ihrer Charaktere schlugen.
Janine ging es wie den meisten anderen, die gebannt zusahen, obwohl sie sich eigentlich bereits hätten zurückziehen können. Heimlich bestätigte das Gesehene sie in ihrer Überzeugung, dass die beiden miteinander geübt haben mussten.
Die Zweifel, der Verrat und die unausweichliche Versöhnung entfalteten sich zu perfekt, zu flüssig. Deshalb war Janine auch nicht überrascht, als Kevin die Hand Calvins ergriff und ihn zu ihr führte. Sie berührten sich, während des Spiels und in Wirklichkeit. Ihre Vertrautheit unterstützte ihre Kunst.
Erst als er vor ihr stand, ließ Kevin den anderen Mann los. „Ist es in Ordnung, dass Calvin mitkommt?“, fragte er leise.
Janine sah ihn überrascht an, nickte dann. „Ja doch, warum nicht“, antwortete sie trotz widerstrebender Gefühle.
„Ich habe nicht viel Zeit“, sagte Calvin beinahe entschuldigend. „Aber wir können mit meinem Wagen fahren und zurück nehmt ihr ein Taxi.“
Kevin lächelte, also lächelte auch Janine und erntete von Calvin einen spontanen Kuss auf die Wange.
Es dauerte nicht lange, den Drehtag zu beenden und sich umzuziehen. Dennoch wartete Calvin bereits auf sie und auch auf Kevin. Er schien es wirklich eilig zu haben, ein Umstand, der Janine nicht weiter beunruhigte.
„Wohin fahren wir?“, fragte sie, nachdem sie sich gemütlich in die Polster zurückgelehnt und ihren kurzen Seidenrock glattgestrichen hatte.
Calvin antwortete und Janine nickte erfreut. Ein kleines Weinlokal mit abgetrennten Nischen und großer Betonung auf Privatsphäre. Offenbar war dieser Abend nicht als Futter für die Fotographen geplant.
Der Wein war schwer und süß und Janine fragte sich einen Moment, ob beide Männer ihr zuliebe die gleiche Bestellung getätigt hatten.
Sie deutete auf Calvins Karaffe. „Kannst du danach noch fahren?“
Calvin lächelte und legte eine Hand auf Kevins Arm. Überhaupt saßen die beiden sehr eng zusammen. Janine kam es vor, als würden ihre Knie sich unter dem Tisch berühren.
Nicht, dass sie kein attraktives Bild boten, das musste sie unumwunden zugeben. Beide dunkles Haar, kaffeebraune Augen und beinahe die gleichen Hemden, weiß und steif im Kragen. Sie könnten die Brüder sein, als die sie besetzt worden waren.
„Ich trinke nicht aus“, sagte Calvin. „Kevin bekommt, was mir zu viel ist.“ Ihre beiden Augen trafen sich und Janine bemerkte etwas wie Trauer oder Schmerz in dem dunklen Blick.
Dann sah er auf seinen Teller, sprach jedoch weiter. „Ihr versteht euch also gut, Kevin und du.“
Janine blinzelte. „Ja, ich denke schon.“ Verwundert wandte sie ihre Aufmerksamkeit Kevin zu, bemühte sich, seinen Gesichtsausdruck zu deuten.
„Das ist schön.“ Calvin blickte immer noch nach unten. Mit Messer und Gabel schob er lustlos das Stück Baguette auf seinem Teller hin und her. „Sehr schön.“
„Ich… ich weiß nicht…“ Janine runzelte die Stirn, fühlte sich mit einem Mal bloßgestellt, unvorbereitet auf einer Bühne, ohne auch nur die leistete Ahnung zu haben, was von ihr erwartet wurde.
„Es… es ist ein wenig kompliziert“, murmelte Kevin und Janine bemerkte, dass seine Augenlider flatterten.
Calvin bemerkte dies auch. Er beugte sich zu Kevin, legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Möchtest du das lieber ohne mich…?“, fragte er leise.
Kevin seufzte, drehte dann seinen Kopf, um den anderen direkt anzusehen. „Ich glaube ja“, sagte er leise. „Entschuldige bitte. Ich dachte zuerst, es wäre leichter, wenn du dabei bist… aber jetzt.“
„Ich verstehe.“ Calvin lächelte und küsste ihn auf die Wange. „Ruf mich an“, sagte er, bevor er sich erhob und zu Janine ging, diese ebenfalls liebevoll küsste. „Sei nicht böse auf mich“, wisperte er, ein Hauch nur, so dass sie nicht sicher sein konnte, ob die Worte auch für Kevin gedacht waren.
Janines Frage, warum in aller Welt sie denn böse sein sollte, blieb unausgesprochen, als Calvin die Kellnerin winkte und in der weltgewandten Art, die Janine eher aus seiner Rolle kannte, die Rechnung beglich.
Seine Augen trafen noch für einen Augenblick die Calvins, bevor er sich abrupt umdrehte, als würde ihm der Abschied anders nicht gelingen, und das Restaurant verließ.
Das Schweigen zwischen Janine und Kevin dehnte sich aus, wuchs zur Unbeweglichkeit. Endlich hielt Janine es nicht mehr aus, räusperte sich. Als erwache Kevin aus seinen Gedanken, richtete er sich plötzlich auf, griff nach Calvins Glas und stellte es neben das seine. Seine Finger hielten den Stiel und er betrachtete scheinbar konzentriert die Farbe des Getränks, als er anhob zu sprechen.
„Ich wollte Calvin dabei haben, weil ich dachte, dann wäre es leichter, dir unseren… meinen Vorschlag zu unterbreiten.“
Er schwieg wieder und Janine begann unruhig auf ihrem Sitz hin und her zu rutschen. Das wurde eindeutig immer merkwürdiger.
„Was denn für einen Vorschlag?“, fragte sie schließlich.
Kevin hob das Glas, nippte daran, setzte es dann langsam wieder ab. Erst dann blickte er auf, suchte ihre Augen.
„Janine“, begann er.
„Ja?“ Sie lächelte.
„Du bist eine wunderschöne Frau und ein unglaublich nettes Mädchen.“
Janine hob ihre Augenbrauen. „Danke – denke ich.“
„Doch, das bist du. Und… und ich denke, dass du eigentlich nicht verdient hast, was ich vorhabe, dich zu fragen.“
„Das… hört sich wahrhaftig seltsam an.“ Janina runzelte die Stirn. „Ich verstehe nicht, was du meinst.“
Kevin lehnte sich mit einem Seufzer zurück und fuhr sich durch das dunkle Haar. Dann erst wieder sah er sie an.
„Ich… ich liebe Calvin“, sagte er.
„Ach.“ Janines Mund klappte auf.
„Ich liebe ihn“, wiederholte Kevin. „Und er liebt mich, wir lieben uns. Wir… wir sind ein Liebespaar.“
Janine spürte, wie verlegene Röte ihr Gesicht überzog und sich gleichzeitig eine vage Übelkeit in ihrem Bauch ausbreitete. Das verlief definitiv nicht so, wie sie es sich erhofft hatte.
„Und… und warum erzählst du mir das?“, brachte sie mit Mühe hervor. Ihr Mund war plötzlich trocken und sie griff nach ihrem Wein, trank ein paar große Schlucke.
Als sie wieder aufsah, kam es ihr vor, als hätte auch Kevins Gesicht eine rosa Tönung angenommen. Der Gedanke in Zusammenspiel mit der Wärme, die der Wein in ihrem Inneren verursachte, hob Janines Stimmung ein wenig und sie fürchtete beinahe kichern zu müssen. Eine Reaktion, die ihr dann doch nicht angemessen erschien, zumal sie eine gewisse Enttäuschung auch nicht unterdrücken konnte.
„Ich meine… warum bist du dann mit mir ausgegangen?“, fragte sie.
Kevin seufzte und blickte ihr direkt in die Augen. „Kannst du es dir vorstellen?“
Langsam nickte Janine. „Calvin ist verheiratet“, murmelte sie dann. „Er… er wird sich wohl nicht scheiden lassen?“
Kevin schüttelte den Kopf. „Das… das würde ich auch nicht wollen“, gab er zu und senkte den Blick. „Nicht wirklich.“
„Und ihr… und jetzt braucht ihr eine Ablenkung?“, riet Janine. „Einen Aufhänger, damit das Offensichtliche nicht zu offensichtlich ist?“
Kevin stöhnte. „Du weißt, wie das Studio denkt über… über…“
„Gleichgeschlechtliche Liebe?“, fragte Janine. „Bei mir fänden sie es gut.“
Sein schiefes Lächeln blitzte auf, als Kevin antwortete. „Das ist bei Frauen immer noch ein wenig anders.“
Janine nahm noch einen Schluck. „Ich denke, ich fange an zu verstehen.“ Sie konnte es nicht verhindern, dass Bitterkeit in ihrer Stimme mitklang. „Die Show gestern war ein Test, ob es funktioniert. Und nachdem die Presse angesprungen ist, dachte Calvin, es sei an der Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen.“
„Das war nicht Calvins Idee“, entschlüpfte es Kevin in härterem Tonfall, als beabsichtigt. „Er… ich denke, er würde es sogar öffentlich machen… wenn… wenn seine Frau nicht wäre und er ihr nicht wehtun wollte.“
Janine schnaubte. „Da kommt er jetzt drauf?“
Kevins Blick traf den ihren und wirkte nun so flehentlich, dass Janine nicht anders konnte, als sich zu fragen, wer eigentlich den dominierenden Part in dieser Beziehung einnahm. Und Kevins folgende Worte bestätigten ihre Vermutung.
„Ich könnte es nicht ertragen, wenn… wenn alle Bescheid wüssten“, gab er gequält zu. „Nicht nur wegen…“ Er vollführte eine ungenaue Handbewegung, sank dann, wenn überhaupt möglich, noch tiefer in sich zusammen.
„Ich kann es einfach nicht… es geht nicht. Nicht jetzt… nicht zu diesem Zeitpunkt.“
„Und ich… ich soll deine Freundin spielen?“
Janine holte tief Luft, bemühte sich den Schmerz fort zu atmen, der in ihr aufklaffte.
„Nein.“ Kevin sah wieder auf. „Nicht nur spielen.“ Er biss sich auf die Unterlippe und sah sie so unglücklich an, dass sie fast gerührt war. „Ich… ich möchte wirklich mit dir zusammen sein.“
„In der Öffentlichkeit… auf Premieren…“, ergänzte sie fragend.
„Auch“, gab Kevin zu. „Aber nicht nur.“
„Du… du möchtest eine Frau, für die Zeit, wenn Calvin mit seiner Familie zusammen ist“, schloss Janine.
„Ein normales Leben“, sagte Kevin schwach. „Wenigstens soviel davon, wie ich haben kann.“
Janine schwieg und verstand. Ein normales Leben. Etwas, wovon sie lange nicht mehr bewusst geträumt hatte. Und obwohl sie wusste, dass sie es nie haben könnte, im Grunde ihres Herzens wahrscheinlich auch niemals haben wollte, blieb doch die Illusion, das rahmenhafte Gebilde ein Gerüst, an dem festzuhalten, sie sich wünschte. Ein unterschwelliger Wunsch, einer, der niemals ausgesprochen, nicht einmal in Gedanken formuliert wurde, doch glich er einer Sehnsucht, an deren Unstillbarkeit sie sich gewöhnt hatte.
„Ein normales Leben“, wiederholte sie laut, aber nachdenklich. „Du sprichst von Premieren, gemeinsamen Auftritten, Gastspielen, wie dem gestern.“
Kevin nickte vage. „Vielleicht auch mehr.“
„Mehr, wie zusammen wohnen?“
Kevin zog eine Augenbraue hoch. „Vielleicht. Warum nicht? Eines Tages?“
„Hm.“ Janine begann es sich vorzustellen.
„Wie viel von alldem wäre Show?“, fragte sie nach einer Weile sachlich.
Und plötzlich lächelte Kevin. „So viel du willst“, antwortete er.
Sie sah ihn an, spitzte nachdenklich die Lippen. „Du machst mir demnach einen Antrag mit allem Drum und Dran, nur unter der Voraussetzung, dass ich die Sache zwischen dir und Calvin akzeptiere und geheim halte.“
Kevin atmete aus. „Das wäre so ungefähr der Deal.“
Janine wog Vorteile gegen Nachteile ab und kam zu einem Schluss. „Du würdest alles tun, was ich dir sage?“
„Nun, vielleicht nicht alles.“ Kevin lächelte wieder. „Aber sicher das, woran du denkst.“
Janine kicherte. „Du wärst mein Traumprinz?“
„Dein was?“ Kevins Blick weitete sich belustigt.
Janine zuckte mit den Schultern. „Nun – irgendetwas möchte ich auch davon haben. Und ein Verhältnis mit einem Mann wie dir, einem gutaussehenden, erfolgreichen Mann, der mir sicher in mehr als einer Hinsicht Wege ebnen kann, mir helfen wird, aus meinem Namen einen Begriff zu machen und der mich zudem auf Händen trägt, mich ausführt, öffentlich beschenkt…“ Sie kicherte wieder, nickte dann. „Ich denke, das wäre es mir wert.“
„Wirklich?“ Kevin sah sie gespannt an und Janine nickte, seufzte und legte dann ihre Hand auf die Seine.
„Wirklich und ehrlich. Ich gebe zu, dass meine Vorstellung ein wenig romantischerer Natur waren, aber letztendlich geht es doch darum, so pragmatisch wie möglich zu sein.“
Kevin nahm ihre Hand auf, drehte sie in der Seinen und küsste ihre Handinnenfläche. „Ich wusste, dass du die Richtige bist“, sagte er leise. „Danke.“
Janine lächelte. Wenn dies das Beste war, was sie bekommen konnte, dann sollte der Teufel sie holen, wenn sie es sich nicht nähme.

Über Fandom, Fanfiction und Bruderslash

Eine merkwürdige Entwicklung findet statt in der Welt der Fandoms. Und ich kenne mich aus, seitdem eine leider jüngst verstorbene Freundin mich behutsam in diese geheimnisvolle Welt eingeführt hat. Sie war eine der ersten, eine Pionierin in Sachen Fankultur, eine Expertin auf ihrem Gebiet, Frau der ersten Stunden.

Sie lehrte mich, dass alles mit den Visionen eines Gene Roddenberry begann. Sie lehrte mich, dass Star Trek für immer Mutter und Vater einer Kunstform bleiben würde, deren Existenz vielen Menschen für immer unbekannt sein wird. Andere handeln sie mit einem mitleidigen Lächeln ab, verstehen die Begeisterung, die Hingabe, den Enthusiasmus nicht, mit dem unzählige Menschen aus ihrem Schattendasein heraustreten, um ohne Bezahlung, ohne Anerkennung, ohne den geringsten Gewinn, Arbeiten verrichten, die Tage, Wochen, manchmal Jahre dauern.

Ein Hobby sagt vielleicht mancher, doch es handelt sich um mehr, handelt sich um kreativen Ausdruck einer Besessenheit, die danach schreit, ein Ventil zu finden.
Es sind phantasiebegabte Menschen, Menschen, die in ihrem Leben lange suchen mussten, bis sie etwas fanden, das ihre Gedanken, Gefühle, Sinne besetzen, ihnen geistige Höhenflüge und kindliche Begeisterung verschaffen konnte. Einen Trost in einer Welt, die nicht viel übrig hat für Kreativität, die keinem ökonomischen Zwecke dient.

Wenn die Gedanken auf Reisen gehen, durch den Kosmos wirbeln, ohne dass sie ein Ziel finden, fühlt sich dieser Mensch haltlos. Diesen Halt entdeckt er in einer Geschichte, die ihn fasziniert, nicht mehr los lässt, im besten Sinne fesselt. Und ebenso wenig, wie diesem Menschen die Welt ausreicht, die vor ihm liegt, ebenso wenig reichen ihm die Appetithappen, die Film- und Fernsehschaffende ihm darbieten. Das Geschehen ist nie genug, es kann nicht genug sein, endet doch die Phantasie der gewerblich tätigen Schreiber genau dort, wo ihnen Produktionsfirmen oder andere Mächte, die da sind, einen Strich durch die Rechnung machen.

Kein Wunder also, dass begabte und vielleicht auch weniger begabte, doch nicht minder engagierte Anhänger eines erfundenen Universums nicht anders können, als auf diesem Spielplatz weiterzuspielen, zu forschen, zu dichten, zu malen oder schneidern. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt, unbeschränkt, fliegen frei wie Vögel. Bis auf eine Ausnahme. Lediglich der Inhaber von Urheberrechten vermag, dem kreativen Geist Einhalt zu gebieten, indem er sich öffentlich gegen die Nutzung seiner Kreaturen und Umstände ausspricht, so geschehen im Fall Anne Rice.

Jedoch sind die meisten, vornehmlich Serienschaffenden, flexibel, wenn nicht gar aufgeschlossen, geht es um die lockere Ausnutzung der Rechte.
Nicht zuletzt kennen die Verantwortlichen seit Star Trek die Werbewirksamkeit einer geballten Fan-Initiative. Und da es als Gesetz gilt, kein Geld mit dem Erdichten von sich im Canon befindlichen Geschichten zu verdienen, kommt jede Aufmerksamkeit, jeder Erlös niemand anderem als dem wahren Inhaber der Urheberrechte zugute.

Der schreibende Fan an sich lebt und arbeitet für seine Leidenschaft. Doch nicht selten findet er Anhänger, die ihm und seinen Geschichten durch verschiedene Fandoms folgen, die letztendlich alles, was er schreibt, begeistert aufsaugen.
Ebenso wie in Fantreffen Erfahrungen, Bilder, Kostüme ausgetauscht und gehandelt werden, so bietet auch das Verfassen von Fanfiction dem Schreiber nicht nur die Möglichkeit des Ausdruckes, nach dem es ihn gelüstet, es schenkt ihm auch den Kontakt zu Gleichgesinnten, die zumeist im wahren Leben spärlicher gesät oder unter Umständen sogar nur im Verborgenen blühen.

Doch in dem Moment, in dem sich die Phantasien überschneiden oder auch ergänzen, entdeckt auch der Fanfiction Schreiber einen Grund dafür, weiterzumachen, in seiner Odyssee fortzufahren.

Und damit komme ich zur Untergruppe der Fanfiction, zur berühmt berüchtigten Gruppierung der Slasher und Slasherinnen.
Dies sind Schreiber, deren besondere Leidenschaft der Entwicklung von Romanzen gilt, die zumeist im Fandom nicht einmal angedeutet, lediglich in den Träumen und Wunschvorstellungen der Verfasser existieren.

Es handelt sich dabei um die Ausarbeitung gleichgeschlechtlicher Beziehung, wiederum mit einem Vorreiter aus dem Star Trek Universum, den immer noch unerreichten Weltraumhelden, Kirk und Spock.
Ihre Liebe fasziniert bis heute und gewinnt mit Sicherheit mit der Ausstrahlung des neuen Enterprise Filmes an Einfluss innerhalb aller Fandoms.

Denn dieser gibt es mittlerweile unzählige. Sie schießen aus dem Boden wie Unkraut, mit jedem Tag, mit jeder neuen Serie entstehen neue Träume, neue Fantasien, neue Ausuferungen menschlicher Vorstellungskraft.

Zeigt doch die bereits zu Beginn dieses Artikels angesprochene Entwicklung nur allzu deutlich, dass Ziel und Zweck der Fanfiction die Entfernung von Grenzen und Barrieren sind, Visionen, die ausgelebt werden. Im besten Fall geht es dabei um die Akzeptanz und Gleichberechtigung gleichgeschlechtlicher Beziehungen, um den Sieg der Liebe über veraltete Moral- und Wertvorstellungen. Ein Sieg, der errungen wird, indem allseits geliebte, verehrte Figuren sich in dieser Rolle wiederfinden und sie in gewohnt heldenhafter Manier bewältigen, vielleicht sogar Bestehendes ändern, verbessern.

Doch was ist davon zu halten, wenn sich die Fanfiction heikler Themen annimmt, über die zu urteilen, jedermann schwer fällt. So geschehen in der Rubrik RPS – Real Person Slash – in der tatsächlich existierenden Berühmtheiten angedichtet wird, was man nicht wagen würde, ihnen laut ins Gesicht zu sagen.
So geschehen ebenfalls in der sich zunehmender Beliebtheit erfreuenden Rubrik des Inzest-Slash.
Dabei ist die Erklärung nicht einmal weit hergeholt.
Mehr und mehr Serien konzentrieren sich um ein Bruderpaar. Sei es, dass diese gemeinsam aus dem Gefängnis ausbrechen, Dämonen jagen, FBI-Jobs erledigen oder überraschend mit Superkräften gesegnet werden.
Die besondere Dynamik der nicht selten komplizierten Geschwisterbeziehung kollidiert hierbei mit der fraglos existierenden Attraktivität der Betreffenden. Selbstverständlich sehen sie gut aus, tragen sie doch auf ihren Schultern den Erfolg der Serie.
Und so findet sich auch für jeden Geschmack ein passendes Duo, findet sich der Sensible und der Bulle, der Kluge und der Rabiate, ebenso wie der Politiker und der Krankenpfleger.
Es gibt nichts, was es nicht gibt, und so gibt es mittlerweile eine Vielzahl von in unsterblicher Liebe miteinander verbundenen Brüderpaaren, die gequält von Schuld und Zweifeln, gejagt von den ihnen eigenen Dämonen und Schrecknissen, doch ihrer Schwäche immer wieder nachgeben, ihr nachgeben müssen.

Grenzwertig und ‚disgusting‘, wie meine Fandom-erfahrene Freundin einst sagte. Und doch faszinierend, ein Abgrund menschlichen Verhaltens, das noch tabuisiert, aber vielleicht ebenso wie einst die Homosexualität auf einem Umweg wie diesen den Weg in Diskussion und Aufmerksamkeit findet.

Es lässt sich streiten darüber, wohin Geschichten wie diese führen. Doch unbestreitbar bleibt, dass ein Tabubruch stets ein Aufatmen der Betroffenen mit sich zieht. Ebenso wenig lässt sich darüber streiten, dass die Problematik, die Seelenqual, das Leiden der Charaktere in den wahrhaft guten Werken betreffender Fanfiction, keineswegs ausgeklammert, sondern im Gegenteil einen wichtigen Platz einnimmt.
Wir werden sehen, wohin das führt.